Bürgerinitiative spricht in der Stadtverordnetenversammlung


Am 8. Juni stand der Punkt „Beratung und Beschlussfassung zur Billigung des Vorentwurfes zur Fortschreibung des Flächennutzungsplanes“ auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung Bad Freienwalde. Da dort auch die Nutzung der Flächen im Hohensaatener Wald neu geregelt wird (statt Wald zukünftig Sondergebiet Photovoltaik sowie Gewerbe) war es ganz passend, dass wir dort unsere Argumente für den Erhalt des Waldes vortragen. Auf Antrag des Stadtverordneten Danny Lenz wurde uns Redezeit gewährt.

Unser Redebeitrag

Guten Abend, wir sind Sonja und Isabel und vertreten heute die Bürgerinitiative Pro Wald Hohensaaten. Vielen Dank, dass Sie uns in den nächsten Minuten die Möglichkeit geben zu erläutern, warum aus unserer Sicht der Wald bleiben soll. Unabhängig vom Zweck der Rodung. Wir wollen, dass der Wald bleibt!
Wir, die Bürgerinitiative Pro Wald Hohensaaten stehen für den Erhalt des großen Waldes zwischen Oderberg und Hohensaaten. Wir sehen es als unsere Aufgabe, zu informieren und damit beizutragen, dass ein umfassendes Bild entsteht und bei politischen Entscheidungen alle Aspekte Berücksichtigung finden.

Wir verstehen die Wälder als eine wichtige Lebensgrundlage für uns Menschen. Ein Mischwald wie bei Hohensaaten ist nicht nur ein preiswerter Klimaschützer durch die CO2-Bindung. Er speichert Wasser und holt auch Wasser aus tieferen Bodenschichten nach oben. Er kühlt durch die Transpiration der Bäume die umliegende Landschaft. Durch die dabei entstehende Luftfeuchtigkeit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Bildung von Regenwolken, um nur ein paar der vielfältigen Ökosystemdienstleistungen von Mischwäldern zu nennen – für uns heute und für die kommenden Generationen unentbehrlich. Abgesehen davon verstehen wir unsere Umwelt nicht nur als Ressource für die Menschen, sondern auch als Habitat für unsere heimischen Pflanzen und Tiere.
Dieser Wald, selbst wenn seine Wurzeln Konversionsflächen umwachsen, ist Teil der natürlichen Lebenskreisläufe von Luft und Wasser und grundlegend von Bedeutung für alle hier Ansässigen egal welcher Generation. Besitzer von Waldflächen haben deshalb eine besondere Verantwortung. Ihr Besitz ist Teil unserer gemeinsamen Lebensgrundlage. Als Forst ist diese Verantwortung für das Gemeinwohl realisierbar, als PV-Anlage nicht, denn Geld kann man weder trinken noch atmen.

Wie Sie vermutlich wissen, gehört der Landstrich des nördlichen Oderbruchs zu den trockensten Regionen Deutschlands. Die Trockenheit der vergangenen sechs Wochen macht bereits jetzt der Landwirtschaft in der Region zu schaffen und die extrem heißen und trockenen Sommer der letzten Jahre uns allen. Wie im Vorentwurf des Flächennutzungsplans beschrieben, handelt es sich bei dem Wald bei Hohensaaten um ein Kalt- und Frischluftentstehungsgebiet. Auf gerade solche Gebiete sind wir jetzt und zukünftig besonders angewiesen.

Wir befürchten, dass es aufgrund der zusätzlichen Erwärmung der Luft – verursacht durch die Wärmeabgabe der Panele auf mindestens 200 ha – zu einer weiteren Austrocknung unserer Region kommt und zu einer noch größeren Verschlimmerung der Hitze im Sommer. Das schadet dann dem noch bestehenden Restwald, der als Sichtschutzgürtel stehen bleiben soll, wie der ehemals dort tätige Förster Eccarius voraussagt. Wir sorgen uns um die Lebensqualität in unserer Region durch Trockenheit, Hitze und den Verlust unserer schönen Landschaft.

Das Planungsgebiet wird als Konversionsfläche bezeichnet und damit argumentiert die Lindhorst Gruppe. Allerdings bedeutet der Begriff „Konversionsfläche“ nach der Auskunft der Regionalen Planungsgemeinschaft, dass es eine vergangene Nutzung der Fläche gab, die noch heute erkennbar ist. Der Begriff bedeutet nicht, dass die Fläche belastet ist.
Laut dem Umweltamt gibt es dort sechs Altlastenverdachtsstandorte. Nur ein Verdacht! Wir möchten darauf aufmerksam machen: Sollte die Lindhorst Gruppe diese Standorte aus ihrem Vorhaben ausklammern, braucht sie diese auch nicht zu sanieren.
Es gäbe dann hinterher nicht eine sanierte Konversionsfläche, sondern auf der Hälfte der Fläche wäre die Natur beseitigt und die andere Hälfte wäre noch genau so eine Art von Konversionsfläche wie jetzt.
Weiterhin argumentiert die Lindhorst Gruppe mit der Belastung des Gebietes mit Fundmunition. Dafür gibt es keine Belege.

Wir haben begründete Zweifel an der Seriosität der Lindhorst Gruppe. Einem der beiden Vorbesitzer wurde beim Verkauf zugesichert, dass das Gebiet ausschließlich für die Jagd und forstwirtschaftliche Zwecke genutzt wird. Der illegale Kahlschlag im Planungsgebiet zeigt uns, dass das geltende Recht für die Lindhorst Gruppe nicht so wichtig ist. Auch bei anderen Vorhaben zeigt sich die Lindhorst Gruppe von einer unberechenbaren Seite.
In dem thüringer Naturschutzgebiet „Hohe Schrecke“, wurde die Lindhorst Gruppe für die unrechtmäßige Abholzung von über 100 Jahre alten Buchen zu einer Strafzahlung von 130.000 Euro verurteilt.

Die Teilnehmer der Einwohnerversammlungen äußerten Kritik an dem Vorhaben der Lindhorst Gruppe und stehen dem Vorhaben mit einer ablehnenden Haltung gegenüber. Wir haben inzwischen 10.000 Unterschriften gesammelt von Menschen, die für den Erhalt des Waldes sind und gegen das Vorhaben der Lindhorst Gruppe.

Laut der Landesregierung gibt es genügend Fläche, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben, ohne dass dafür Wälder oder gute Ackerstandorte geopfert werden müssen, wie beispielsweise Ränder von Autobahnen, Mülldeponien und Dächer.
Wir wünschen uns eine nachhaltige Zukunft. Daher befürworten wir ganz klar den Ausbau erneuerbarer Energien. Allerdings kann der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht zur Folge haben, dass ein gesunder, klimastabiler Wald gerodet wird. Das ist einfach nur verrückt.

Nun kommen wir zum Schluss unseres kleinen Vortrags. Wir konnten in den vergangenen Minuten nur einen kleinen Teil der von uns gesammelten Informationen und Fakten vortragen. Sollten Sie nun Fragen oder Redebedarf über das Vorhaben der Lindhorst Gruppe haben oder über den Wert des Waldes, freuen wir uns, wenn Sie unsere Webseite besuchen oder auch direkt mit uns in Kontakt treten.

Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit.

Auf Wiedersehen!

Unsere Fragen

Aufgrund der auf sechs Minuten begrenzten Redezeit konnten wir unsere Fragen leider nicht mehr in der Stadtverordnetenversammlung stellen. Aber wir haben folgende Fragen zu Protokoll gegeben:

  1. Prof. Ibisch von der HNE in Eberswalde hat in mehreren Studien die Temperaturen von Flächen mit und ohne Wald verglichen und dabei Temperaturunterschiede von bis zu 20 Grad festgestellt. Innerhalb eines Waldgebiets hat er 17 Grad Unterschied zwischen gerodeten und bewaldeten Flächen gemessen. Im Fall von Hohensaaten soll nicht nur eine sehr große Fläche gerodet werden, sondern mit dunklen PV-Modulen vollgestellt werden. Zahlreiche Studien beschreiben die schädlichen Folgen von Temperatursteigerungen für den Wald. Studien für die Auswirkungen solcher Riesen-PV-Anlagen auf Ortschaften, die wie Hohensaaten in unmittelbarer Nähe und in der Hauptwindrichtung liegen, fehlen bislang. Auch im Planungsverfahren ist so eine Prüfung nicht vorgesehen.
    Ist es verantwortbar, Hohensaaten so einem ungewissen Experiment auszusetzen?
  2. In der MOZ vom 31. Mai war im Interview mit dem Amtsdirektor Birkholz von Barnim-Oderbruch zu lesen, dass sich die Gemeinden bei den Einnahmen aus der erneuerbaren Energie oft verrechnen, weil sie die ganzen Ausgaben für die Umlagen übersehen. Manche Gemeinden zahlen dann unterm Strich sogar drauf.
    Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Bürgermeister Sie über diese Problematik transparent informiert?
  3. GICON verweist im Zusammenhang mit der Zahlung der 0,2 Cent/KWh auf das EEG. Herr Lindhorst sagt aber, dass er die Anlage ohne EEG-Vertrag betreiben will.
    Wie stellen Sie sicher, dass er sich nicht um die Zahlung drücken wird?
  4. Außerdem steht im EEG (§6), dass die 0,2 Cent nicht für die erzeugte, sondern nur „für die tatsächlich eingespeiste Strommenge“ gezahlt werden soll.
    Was ist, wenn Herr Lindhorst sich darauf beruft, dass er nur kleine Mengen ins Netz einspeist und den Hauptteil direkt an Gewerbe auf dem Gelände liefert?
  5. Wir haben überall Fachkräftemangel, Firmen schließen, weil sie keine Nachfolger finden, auch Handwerker werden rar.
    Vertrauen Sie auf Herrn Lindhorst, wenn er 400 Arbeitsplätze verspricht, zumal in einer so abgelegenen Region und ohne, dass er überhaupt schon weiß, welche Gewerbe sich dort ansiedeln wollen?
  6. Lindhorst wirbt mit der Energiesicherheit für Bad Freienwalde und mit der Möglichkeit von Bürgerstrommodellen (Newsletter Dezember 2022). GICON geht in dem Energiekonzept von einer Stromerzeugung von 213 GWh/Jahr aus. GICON veranschlagt für den Gewerbepark einen mittleren Bedarf von 210 GWh/Jahr (Energiekonzept S. 59). Dabei ist eine eventuelle Wasserstoffproduktion noch nicht mit eingerechnet.
    Sind Sie sich darüber im Klaren, dass dann bilanziell für Bad Freienwalde praktisch nichts mehr übrigbleibt?
  7. Lindhorsts PV-Firma Visiolar verkauft im großen Maßstab PV-Strom aus dem Berliner Umland nach Österreich. 1400 Hektar PV-Fläche wurden dafür schon festgelegt, 2000 Hektar möchte man erreichen.
    Wie stellen Sie sicher, dass hier nicht am Ende 200 Hektar Wald für Österreichs Stromversorgung vernichtet werden?
  8. Jürgen Lindhorst senior hat letztes Jahr gesagt, dass ER die Fläche gekauft hat. Im Kaufvertrag steht aber nicht er, auch nicht die Lindhorst-Gruppe, sondern sein Sohn, Jürgen Lindhorst junior. Die Stadt erhält bislang also Zusagen und Versprechungen von jemandem, der gar nicht der Eigentümer ist.
    Mit welchen juristischen Fallstricken muss Bad Freienwalde rechnen? Gehen Sie davon aus, dass Ihr Bürgermeister und Ihre Verwaltung auf Augenhöhe mit dem Lindhorst-Konzern verhandelt?